Ab durch die Mitte
Wenn der Wikinger an die Mitte Hamburgs denkt, so denkt er an diverse ruderbare Kanäle, welche Hamburg-Mitte durchziehen.
Berlin hat es in dieser Hinsicht (scheinbar) besser: Da fließt sogar ein ganzer Fluß durch die Mitte Berlins, der sich Spree nennt. Also sollte es noch leichter als in Hamburg sein, durch Berlin-Mitte zu rudern.
Denkste, wa! Die Mitte Berlins ist der elendigen Tourismus-Flotte auf der Spree vorbehalten, wohl damit Mutti immer die Steuerkasse kräftig klingeln hört.
Nun ist es unserem wagemutigen Wikinger Christof zu verdanken, dass sich doch noch ein Schleich-Rudern auf der Spree durch die Mitte Berlins fand: Am 18.Mai 2019 fand in Berlin der "Tag des manuellen Wassersports" statt. Solche Ausdrücke erfindet man auch nur in Berlin.
Jedenfalls machte sich eine Wikinger-Mannschaft schon am 17. Mai mit der Bahn auf nach Berlin. Ganz mit ohne Ruderboote, denn die konnten bei der Ruder-Gemeinschaft Grünau (an der Dahme) geliehen werden.
Bei der RG Grünau hatte Christof sogar für ein Nacht-Quartier gesorgt. Hier konnten wir Wikinger sogar ganz gegen die Gewohnheit in Betten schlafen.
Der 18. Mai machte dem Sprichwort vom "Wonnemonat" alle Ehre, begann also schon zum Morgen sonnig und warm. Großes Glück, denn es standen gute 50 km auf stehendem Gewässer zu rudern an: Zunächst von der Dahme auf die Spree, am klotzigen Kohlekraftwerk Rummelsburg vorbei und dann unter der berühmten Oberbaum-Brücke hindurch auf das normalerweise gesperrte Spree-Gewässer. Schon bald war die Mitte erreicht. Eifriges winken vor dem Kanzleramt lockte Mutti leider nicht aus der Hütte. Aber die Glasbeton-Macht des Bundes strahlte zumindest eine gewisse Solidität aus.
Von der Spree wurde dann in den Landwehrkanal abgebogen, und die erste (Unter-)Schleuse betätigt. Vorbei ging es an wildem Federvieh, eingesperrt im Zoo, und an manchen verfallenen, aber doch interessant gestalteten Ruinen, die oft sogar bewohnt waren. Der Neuköllner Kanal führte uns durch weitere Ruinen Neuköllns zur Neuköllner Schleuse, die uns auf den Teltowkanal leitete.
Dem Wikinger ist manch "langes Elend" bekannt, aber Berlin übertrifft alle: Durch ein elendig langes Industrieviertel zog sich der Teltowkanal ereignislos hin, wobei zudem die Ruder-Kräfte bei gut 25° C in der prallen Sonne schwanden, denn über 40 km hatten wir schon hinter uns. Aber auch das längste "lange Elend" endet einmal, und wieder auf der Dahme angekommen, konnten wir kurze Zeit später wieder bei der RG Grünau anlanden und die Tränke stürmen.
Insgesamt hatten wir einen durchaus sehenswerten Rundkurs durch die Mitte Berlins erlebt, und erfreuten uns danach zum Abend hin am örtlichen Grillfest, auf dem neueste Ruder-Legenden ausgetauscht und weiter ausgeschmückt wurden. Wahrscheinlich entstand auch hier die Idee, von Berlin nach Hamburg zu rudern, aber das wird eine andere Geschichte werden.
Wirklich beeindruckend war die perfekte Organisation eines so großen Ruder-Ereignisses durch die RG Grünau, ebenso die große Gastfreundschaft, auf die wir dort stießen. Entsprechende Einladungen nach Hamburg wurden natürlich ausgesprochen und interessiert zur Kenntnis genommen.
So beeindruckend dieser 18. Mai in Berlin auch war, umso eklatanter versagte am 19.Mai die Deutsche Bahn: Der gebuchte ICE nach Hamburg kam erst gar nicht - wozu auch meinte man bei der Bahn, komme doch schon in 1 bis 2 Stunden später sowieso ein anderer ICE, der dann zwar überfüllt sei, aber mit Glück zumindest grob in Richtung Hamburg fahre...
Was soll man dazu noch sagen, außer: Der Wikinger wünscht der Deutschen Bahn immer ein Stück nutzbares Gleis unter den Zug-Rädern (soweit nicht abgefallen).
Unabhängig von der Bahn danken wir unserem Christof und der RG Grünau für einen schönen "Tag des manuellen Wassersports" - Berlin ist immer eine Ruderreise wert. Odin sei unser Zeuge.
Michael Brunke
Über Rosas nasses Grab
Von Grünau durch die Berliner Innenstadt
Wer schon mal in Berlin gewesen ist, kennt sie bestimmt die Spree. Oberbaumbrücke, Museumsinsel, Spreebogen, aber wieso sind hier nie Ruderer oder Paddler zu sehen? Liegt es daran, dass die Bootshäuser alle mehr in den Randlagen der Stadt angesiedelt sind? Nein der wirkliche Grund ist ein anderer: Wassersport ist hier normalerweise verboten. "Normalerweise" heißt doch das es wohl auch Ausnahmen gibt? Ja, und bei so einer Ausnahme, dem "Tag des manuellen Wassersports" am 18. Mai 2019 hatten einige Wikinger die Gelegenheit durch die Berliner Innenstadt zu rudern. Chrstof hatte bei der Rudergemeinschaft Grünau angefragt, ob sie uns wohl als Gäste mitnehmen würden. Das taten die Grünauer auch gern und haben uns gleich auch ein Übernachtungsquartier in Ihrem Bootshaus verschafft. Also sind wir am Freitag nachmittag mit der Bahn nach Berlin gefahren und haben uns in Grünau im Bootshaus einquartiert.
Am Sonnabendmorgen nach dem Frühstück ging es dann an die Bootsverteilung. Wir waren die am weitesten gereisten Gäste in Grünau aber bei weitem nicht die einzigen. So sind wir dann mit bestimmt einem halben Dutzend Booten in Richtung Berliner Innenstadt gestartet. Unterwegs fiel uns auf, dass bei jedem Ruderverein, an dem wir vorbeikamen wohl Boote auf dem Wasser waren, uns ist aber kein einziges begegnet. Allerdings verdichtete sich die Zahl der Ruderboote, die in dieselbe Richtung fuhren zusehends.
Nachdem wir ein Kunstwerk durchquert hatten, wir sind den Molekülmännchen durch die Beine gefahren, wie das Berliner Boot vor uns - das gehört sich wohl so, kamen wir dann an die Oberbaumbrücke, jene Märchenbrücke, die außer der Straße auch noch die Hochbahn über die Spree führt. Ab hier ist die Spree normalerweise gesperrt. Jetzt kamen wir durch den touristisch bekannten Teil Berlins. Jannowitzbrücke mit der Stadtbahn direkt am Spreeufer, Mühlendammschleuse, hier mussten wir eine Weile warten, hier sammelten sich die Boote, die wie wir spreeabwärts fuhren. Als die Schleuse aufging kamen uns etliche Boote entgegen, die bei den Westberliner Bootshäusern gestartet waren. Die Schleusung verlief trotz der großen Zahl an Booten recht entspannt, da das WSA und die freiwilligen Helfer vom Berliner Ruderverband gut organisiert waren und die Boote nach Größe sortiert einfahren ließen und jeden an einen geeigneten Platz dirigierten.
Nach der Schleuse hatten wir dann noch einen Moment länger Zeit, die Museumsinsel und die Monbijoubrücke zu betrachten, da die Durchfahrt wegen eines Feuerwehreinsatzes unplanmäßig doch noch einmal gesperrt war. Die Verzögerung hielt sich aber in Grenzen, bald konnten wir weiterfahren. Bahnhof Friedrichstraße, Reichstag und Regierungsviertel, Lehrter Bahnhof (Hauptbahnhof), nördlich am Tiergarten vorbei, Schloß Bellevue.
Nach einer kurzen Pause ging es weiter Richtung Charlottenburg, nein, nicht bis zum Schloß, wir sind vorher in den Landwehrkanal abgebogen, um wieder nach Osten zurückzukommen.
Vor der Schleuse trafen wir dann wieder etliche andere Boote, die in der selben Richtung wie wir unterwegs waren. Dann ging es durch den Tiergarten am Zoo und am Rosa-Luxemburg-Denkmal vorbei und durch Kreuzberg.
Die Strecke durch Kreuzberg war dann wohl die für den Steuermann anspruchsvollste Strecke. Schlauchboote und andere Sonntagsfahrer, für die Regeln wie Rechtsfahrgebot nicht zu gelten scheinen. Kurz vor Ende des Landwehrkanals bogen wir dann nach Süden in den Neuköllner Schiffahrtskanal. Später waren wir uns einig, das das nicht die beste Idee des Tages war. Dieser Kanal war ja noch ganz hübsch, auch das ziemlich verdreckte Hafenbecken mit der toten Ratte vor der Schleuse zum Teltowkanal war nicht das schlimmste dieser Tour. Das wirklich schlimme war der östliche Teil des Teltowkanals. Schnurgerader Industriekanal ohne wirkliche Abwechslung am Ufer. Und das am Ende einer doch recht langen Tour. Ja, wir hatten die kürzeste Strecke nach Grünau gefunden, allerdings wären die zwei bis drei Kilometer Umweg, wenn wir den Landwehrkanal bis zur Spree durchgefahren wären, ein geringer Preis für die landschaftlich deutlich attraktivere Strecke gewesen.
Aber wir haben es alle nach Grünau zurück geschafft, und nach der Versorgung der Boote und dem Duschen waren alle noch in der Lage, den Abend vor dem Bootshaus am Grill ausklingen zu lassen.
Holger Martens
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