Nach holperigem Vorlauf schnelles Rudern ohne Gepäck
Mein Ziel war, auf einer sommerlichen Gepäckwanderfahrt eine möglichst lange Strecke auf der (leicht) wilden Fulda oberhalb von Kassel mitzunehmen. Das wollten ganz schnell auch viele Wikinger, so dass ich bei acht Anmeldungen kurz nach Aushang der Fahrtenplanung plante, mit drei Booten zu fahren. Der oder die Neunte war allerdings schwer zu erjagen. Es funktionierte letztlich mit zwei Wechseln. Auch die Hängerbeschaffung erwies sich als schwieriger als gewohnt. Schließlich fanden wir eine Win-Win-Situation mit dem RV an den Teichwiesen, für den wir auf der Fahrt ein Boot zur Reparatur nach Celle brachten.
Und dann wurde zum Ende Juni klar, dass die Fulda viel zu wenig Wasser führte, um sie wie geplant von Rotenburg an zu fahren. Ich verlegte den Startpunkt nach Melsungen, wo wir als Trost zwei Tage im Hotel übernachteten.Leider fuhr uns nachts die Eisenbahn durchs Zimmer.
Den einen freien Tag nutzten wir zu einer Fahrt mit leeren Booten ab Altmorschen, ca. 15 km oberhalb von Melsungen. Es wurde eine schöne Fahrt auf munterem Wasser mit einigen Schnellen und engen Kurven und ohne Grundberührung.
Die Altstadt von Melsungen ist eine wunderschöne, mittelalterliche Fachwerkstadt. Das Schloss im Stil der Weserrenaissance ist bestens gepflegt. Alles in diesem Städtchen macht einen sehr wohlhabenden Eindruck.Wir erfuhren schließlich, dass hier die Firma B. Braun ihren Hauptsitz hat, ein Weltkonzern für Medizinbedarf, Ärzten wohlbekannt und anscheinend ein eifriger Steuerzahler.
Sonntag, 7. Juli: Auf wildem Fluss von Melsungen nach Kassel
Am Morgen machen wir uns mit drei voll beladenen Booten auf den Weg, zunächst zur alten handbetriebenen Schleuse mitten in der Stadt. Wegen des niedrigen Wasserstandes können wir uns problemlos nähern, da das daneben liegende Wehr weitgehen trocken ist und keinen Sog erzeugt.
Unterhalb des Wehres haben wir schnelles Wasser, aber leider so wenig, dass die ersten Boote sehr bald aufsetzen und der Steuermann oder auch die ganze Mannschaft hinausspringen und das Boot wieder flott machen müssen. So fünf bis zehn Aufsetzer dieser Art muss jedes Boot erleiden, eine recht anstrengende Kneipp-Kur für die Mannschaften. Aber zwischendurch fahren wir richtiges Wildwasser, da werden die Steuerkünste gefordert. Ab der Mündung der Eder, ungefähr 20 km unterhalb von Melsungen haben wir endlich genug Wasser und es geht zügig und ohne Grundberührung nach Kassel. Zwischendurch schleusen wir noch einmal und umtragen auch noch ein Wehr, so dass wir spät und recht erschöpft im Kassel ankommen. In Kassel gibt es jede Menge Ruderklubs, aber bei der Rudergesellschaft Kassel ist etwas schief gelaufen, so dass es einige Zeit dauert, bis wir ins Bootshaus kommen. Wir sind so erschöpft, dass wir diese sehenswerte Stadt nicht weiter erkunden, sondern nach dem Essen sofort auf die Isomatten fallen.
Montag, 8. Juli: Auf der ruhigen Fulda nach Hannoversch Münden
Die Fulda bleibt nun ruhig mit kaum merklicher Strömung. Dafür sorgen vier Wehranlagen mit Schleusen. Leider ist die erste, die Stadtschleuse Kassel, dauerhaft außer Betrieb. Aber es gibt eine Gleislore. Die ist leider zur Reparatur. Also heißt es Boote entladen, Boote tragen, Gepäck tragen und dann alles wieder ins Wasser. Da ist es schön, dass wir neun Leute sind. So werden die Boote nicht zu schwer, aber es dauert natürlich seine Zeit. Die nächste Schleuse, hinter einer scharfen Kurve bei Wahnhausen geht über sieben Meter in die Tiefe, da wird es richtig dunkel. Nach einer ruhigen Fahrt unterbrochen von zwei weiteren Schleusen erreichen wir Hannoversch Münden. Die Suche nach einem Restaurant gestaltet sich unerwartet schwierig, einerseits ist Montag und andererseits sind in Niedersachsen wohl Sommerferien. Hannoversch Münden hat eine wunderschöne Fachwerk-Altstadt, aber der Hunger trübt heute Abend unseren Blick für die Schönheiten.
Ein paar allgemeine Eindrücke von der Fulda ab Altmorschen
Die Fulda durchfließt ab Altmorschen in großen, zum Teil sehr scharfen Kurven eine Mittelgebirgslandschaft mit lieblichen Waldbergen zu beiden Seiten. Weite Talauen wechseln sich ab mit engen Durchbrüchen.
Bis Kassel fließt die Fulda schnell mit vielen kleine Stromschnellen und Richtungswechseln des Hauptstromes im Flussbett. Die Fulda ist auch bei mittlerem Niedrigwasser (siehe Pegel) fahrbar, man sollte dann aber ohne Gepäck fahren. Ab Kassel ist die Fulda weitgehend Zahmwasser und immer fahrbar.
Mittwoch, 10. Juli: Unsere längste Strecke
Nach einem Ruhetag mit ausgiebiger Besichtigung von Stadt und Umgebung für die meisten und einem Auto- und Bahnfahrttag zum Vorbringen des Hängers von Melsungen nach Minden für Ulrich und mich geht es nun auf die Weser. Ziel für heute ist Höxter, gut 70 km Ruderstrecke. Aber noch sind wir auf der Fulda und die bildet auf dem letzten Kilometer ein richtiges Delta. Wir müssen aufpassen, die richtige Abzweigung zur Schleuse zu nehmen, um nicht über ein Wehr zu fahren.
Wir erreichen wohlbehalten den Weserstein, die Fulda liegt hinter uns, wir sind auf der frei fließenden Weser.
Die Strömung ist gut,uns begleiten Waldhänge auf beiden Seiten es gibt kaum Straßen und Eisenbahnen, es ist ruhig auf dem Fluss. Um die Mittagszeit machen wir Rast in Bad Karlshafen, einer planmäßig angelegten Barockstadt für hugenottische Glaubensflüchtlinge. Sie ist schön anzusehen, leider wirkt alles, vielleicht auch wegen der Sommerferien, etwas verlassen.
In Höxter ist Schluss für heute, wir haben gut 70 km gerudert. Aber es war gar nicht so anstrengend, die gleichmäßige Strömung der Weser half kräftig mit. Wir finde mehr durch Zufall den besten Gasthof am Ort und alle genießen das gute Abendessen.
Donnerstag, 11. Juli: Nach Hameln, ans Ziel des Wesermarathons
Heute rudern wir zwar "nur" 65 km, aber die Strömung wird zum Ende hin immer schwächer. So erscheint die Strecke doch etwas anstrengender als gestern. Bei Fluss- km 111, gegenüber von Bodenwerder, der Münchhausenstadt, liegen alle zu einer langen Pause im Gras. Schließlich sehen wir auf backbord das Atomkraftwerk Grohnde, dessen Kühltürme munter vor sich hin dampfen, und die Strömung lässt fast vollständig nach. Endlich erreichen wir Hameln, wo wir beim Ruderverein Weser übernachten.
Freitag, 12. Juli: Zur ehemaligen Universitätsstadt Rinteln
Heute gibt es eine gemütliche Tour. Nachdem wir die Schleuse in Hameln passiert haben, sind es nur noch etwas über 30 km bis Rinteln. Direkt vor der Stadt machen wir mittags halt. Wir wollen abends im Bootshaus des WSV Rinteln kochen und kaufen hier in der Stadt ein. Rinteln hat eine wunderschöne Fachwerk-Altstadt und es herrscht hier, anders als in den anderen Orten an der Weser, ein munteres und geschäftiges Treiben. Rinteln war Festungsstadt und fast 200 Jahre lang bis 1810 Universitätsstadt. Aus dieser Zeit rührt der Name Doktorsee her, an dem der WSV liegt. Ursprünglich hieß es Doktorwiese, da die Universitätsprofessoren dort ihre Kühe weiden durften. Um Weserkies zu gewinnen, wurde die Wiese ausgebaggert, aber der Doktor blieb.
Wir hatten den Tag über schönes Sommerwetter, doch nachmittags trübte es sich ein, und als wir warm und trocken im Bootshaus kochten, gab es ein kräftiges Sommergewitter. Trotzdem machten sich einige Unentwegte später noch auf den Weg in die einige Kilometer entfernte Stadt und konnten hinterher begeistert vom Rintelner Nachtleben berichten.
Sonnabend, 13. Juli: Durch die Porta Westfalica
Der letzte Rudertag bricht an, es ist wieder eine recht kurze Strecke bis Minden. Aber wir freuen uns noch auf ein Highlight, die Porta Westfalica. Hier durchbricht die Weser den Mittelgebirgszug, links das Wiehengebirge und rechts das Wesergebirge. Wir planen, direkt in der Porta anzulegen und zum Kaiser-Wilhelm-Denkmal auf dem Osthang des Wiehengebirges hinaufzusteigen.
Doch der Tag fing schon trübe an und entwickelte sich immer mehr zu einem Nieselregentag. Als wir an der angepeilten Anlegestelle sind, schwebt Nebel um die Berge und die Wolken hängen so tief, dass man das Denkmal nicht mehr sehen kann. So fahren wir enttäuscht weiter nach Minden zum Bootshaus des Mindener Rudervereins.
Unser Bootshänger und Zugfahrzeug stehen wohlbehalten bereit, dem Verladen der Boote steht nichts im Wege. Zum Abschluss und Trost gibt es den guten Weserburger im nahegelegenen Restaurant.
Sonntag, 14. Juli: Nach Hause
Die Rückfahrt verläuft problemlos, wieder mit einem Abstecher nach Celle, um das reparierte Boot von der Bootswerft Rehberg abzuholen. Das liegt auch wie verabredet auf einem Hänger bereit. Und weil wir so früh ankommen, ist Meister Rehberg noch da und kann uns beim Verladen helfen. Nach Abladen unserer Boote beim Wikinger-Bootshaus, Zurückbringen des Hängers mit Vierer zu den Teichwiesen und Rückkehr zum Bootshaus stellen Ulrich und ich fest, dass die Restmannschaft schon alle Boote gereinigt, aufgeriggert und ins Bootshaus gebracht hat. Das ist Teamarbeit.
Eine Fahrt durch eine wunderschöne Mittelgebirgslandschaft liegt hinter uns. Wir wissen jetzt: Die Fulda oberhalb von Kassel ist sehr reizvoll zu fahren, aber besser mit leeren Booten.
Rüdiger Schmidt
|