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"Willkommen bei den Stints!"
Eine Wochenendwanderrudertour der besonderen Art vom 12. bis zum 14. April
Wer meint, dass Berlin das größte Ruderrevier in Deutschland sei, könnte sich täuschen. Hamburg mit seinen Elbeverzweigungen, Norder- und Süderelbe, dem Hochseehafen und zahlreichen nicht mehr genutzten kleineren Hafenbecken, den Fleeten, der Bille, der Dove- und Gose-Elbe, ist ein riesiges und vielfältiges Wanderrudergebiet! Man darf natürlich nicht in den Clubs auflaufen, die ihre Boote chic durch die Außenalster rudern. Man muss zu den Wikingern gehen. Die Hamburger Wikinger haben ihr Bootshaus außerhalb der Alsterschleuse, in Veddel, und damit, je nach Tide, Zufahrt zu den meisten elbischen Wasserwegen. Außerdem sind die Wikinger herzliche Gastgeber. Eine Wochenendwanderrudertour bei den Wikingern anzuzetteln, war zunächst der Idee geschuldet, einmal das Naturschutzgebiet der Dove- und Goseelbe mit dem Neuengammer Durchstich zu rudern. Ende April wird der wegen brütender Vögel komplett gesperrt. Eine kurze Anfrage bei dem Wikinger Ulrich Rothe genügte, und schon war nicht nur der Naturschutztrip organisiert. Ulrich plante für Pia Kuntz, Jochen Hansmeyer, Burghard Schack, Udo Seeger und mich sofort ein ganzes Wochenende, inklusive Rundfahrt durch den Hochseehafen!
Fast wäre das Abenteuer bereits am Freitagmittag in Köln gescheitert. Die Leverkusener Autobahnbrücke dicht, der übliche Rückstau auf dem Autobahnring. Die Fähre Langel-Hitdorf rettete unseren Zeitplan. Wie vereinbart kamen wir um 19:00 Uhr bei den Wikingern an machten die Boote mit Rundumlichtern klar für eine Nachtfahrt und ruderten über die Norderelbe elbabwärts. Um die mächtige, von fünf Baukränen überragte Elbphilharmonie herum fuhren wir in den Sandtorhafen, an alten Seglern vorbei und in die Hafencity. Wikinger André auf dem Steuerplatz ist ein unermüdlich erzählender Stadtführer und erklärt uns die einstige Bedeutung der alten Kontorhäuser, Lagerhäuser und Kranöffnungen in den Giebeln für Hamburg als traditionellen Handelsplatz. Angesichts der unzähligen Brücken glauben wir gerne, dass Hamburg mehr Brücken hat als Venedig.
Die Speicherstadt war dann wie verzaubert, die Dämmerung so weit fortgeschritten, dass die schiefen Stapelhäuser leuchteten. Auf den Giebeln natürlich keine Wetterfahnen, sondern Schiffsminiaturen, die so groß sind, dass man gar nicht glaubt, dass die da oben Halt finden. Der zwiebelige Sankt Katharinenturm, der gotische Sankt Nicolaiturm, immer wieder erschienen sie aus anderen Perspektiven. Deutschlands kleinste Bühne, das Hamburger Theaterschiff, schwimmt da übrigens auch irgendwo. Und die am Sektglas nippenden Theaterbesucher haben etwas irritiert drein geschaut, als wir vorbei rauschten.
Und dann gab es für uns eine großartige Aufführung im Hochseehafen. Zwei riesige Autotransporter mit wolkenkratzerhohen Bordwänden legten ab, Richtung Afrika! Am Veddeler Wasserkreuz Richtung Osten unterquerten wir die S-Bahnhaltestelle in Veddel, kamen durch den Müggenburger Zollhafen und am Auswanderermuseum Ballinstadt vorbei und über den Peutekanal zurück zu unserem Bootshaus - leider im Regen, der am nächsten Tag das Projekt Naturschutzgebiet zum Scheitern brachte. Orkanböen und Sturmwarnung bremsten uns auf der Gose-Elbe aus. Ulrich lotste uns in das urige Landgasthaus Voigt. Dort brach ein Naturereignis ganz anderer Art über uns herein. Die Wirtin servierte eine lokale Spezialität: Hamburger Stint! Fingerlange Raubfischlein, durch Bier gezogen, in Mehl gewälzt und Fett ausgebacken, die plötzlich vor uns auf einer Platte als Riesenberg stehen. Da ist schnell Schluss mit Tee. Bier und Wein wurden bestellt. Der Kölner entwickelte Kneipenseligkeit und Gemütlichkeit, der Tag könnte nicht schöner sein! Und auch der lauwarme Kartoffelsalat war köstlich! Adieu, Neuengammer Durchstich! Vergeblich versuchte Ulrich immer wieder darauf hinzuweisen, dass es draußen bereits viel heller geworden sei, aber mit Stint im Bauch geht es kalorienschwer nur noch zurück zum Bootshaus.
Dann Tag drei: Mit ablaufendem Wasser fuhren wir elbeabwärts und passierten die Hafencity, das Kreuzfahrtterminal und die Landungsbrücken - wir kamen aus dem Staunen nicht heraus. Leider waren auch schon viele Hafenrundfahrtbarkassen und Bügeleisen unterwegs. So nennen die Wikinger die Fähren, deren Aufbauten tatsächlich an ein Bügeleisen erinnern und die mächtige Wellen schlagen. Ein einziges Gewusel! Völlig harmlos sind dagegen die großen Übersee-Pötte, die gemächlich auf der Elbe dahingleiten. Die Mittagspause legten wir in die Zeit, als die Tide umschlug. Mit auflaufenden Wasser ruderten wir zurück, vorbei an dem Airbus-Werk und durch ein Gewirr älterer Hafenbecken. Zwischendurch hieß es "Ruder halt!" denn ein einlaufendes riesiges Containerschiff, umschwirrt von drei Hafenschleppern, stopte vor uns, wendete und versperrte die Elbe auf ganzer Breite und schwebte mir nichts dir nichts in eine Parklücke unter Riesenkränen ein! Sehr beeindruckend!
Wie wir nach dieser Tour die Boote aus dem Wasser bekommen haben, uns geduscht, zusammen gepackt, alles ins Auto gequetscht haben und wieder zurück gekommen sind, weiß ich nicht.
Jedenfalls war es ein tolles Wochenende. Herzlichen Dank an Ulrich, André, Rüdiger und Achim, die uns begleitet haben. Und der Neuengammer Durchstich steht natürlich weiter auf der To do Liste!
Sabine Weber, Kölner Ruderverein von 1877 e.V., Fotos: BS
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