Da die Wikinger bereits im Jahre 882 n. Chr. einmal die Mosel befuhren und Trier plünderten, war es nur eine Frage der Zeit, bis wir jetzt, 1132 Jahre später, uns dort mal wieder blicken lassen würden. Nun gut, ich nehme vorweg, unsere weiterentwickelten Boote erwiesen sich eher ungeeignet für den Transport der Beute, weshalb diese eher gering ausfiel. Allerdings war der Erlebniswert unserer Unternehmung mindestens so gut wie damals.
Doch nun einmal der Reihe nach von Anfang an. Bereits die Vorbereitungen unserer hübschen Wanderfahrt waren im wahrsten Sinne bewegt und zwar quer durch Europa. Mit dem geliehenen Teichwiesentrailer fuhren wir, Rüdiger, André und ich unsere Boote, Frigga und Sigyn, quer durch Deutschland, tankten in Luxemburg und erreichten schließlich Epinal in Frankreich. Am nächsten Tag fuhren wir die 800 km ohne Boote und ohne André zurück nach Hamburg um den Anhänger zurück zu geben. Und wieder einen Tag später fuhren wir, diesmal mit dem Zug, wieder nach Epinal, verstärkt durch Ullrich Bade und Dieter.
Und nun konnte es losgehen, denn André war ja in Frankreich geblieben und hatte alles geklärt. Moment mal, André war zwar vor Ort, aber wegen eines Feiertages war niemand sonst dort, mit dem er hätte unsere Angelegenheiten klären können. Ach ja, und was gab es überhaupt zu klären? Eigentlich nur die Befahrung des Vogesenkanals parallel zur wildwasserartigen oberen Mosel, die für Ruderboote verboten ist. Aber was soll´s, wenn schon, denn schon. Schließlich gibt es ja auch den Bericht einer Gruppe Ruderer, die es bereits geschafft haben von Epinal aus die Mosel zu befahren, eben über den Vogesenkanal. Da wir also noch nicht losrudern konnten, gönnten wir uns erstmal einen Ruhetag und erkundeten Epinal oder Nancy, welches dank abwechslungsreicher Geschichte und Barocken Prachtanlagen sehr empfehlenswert ist.
So, jetzt aber. Es ist Montag, wir wollen los. André geht klären, wir warten. Ergebnis: "Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht." Die gute war, dass wir überhaupt von Epinal ab rudern konnten. Hört, hört. Die schlechte, dass dies erst ab dem nächsten Tag möglich sein wird. Macht nichts, gönnen wir uns noch einen Ruhetag, diesmal in Remiremont.
Als wir dann am Dienstag endlich in unseren Booten saßen formulierte Rüdiger den treffenden Satz, er sei noch nie so glücklich gewesen, auf einem Kanal zu rudern. Aber wer jetzt denkt, unsere Wanderfahrt plätscherte von nun ab erfreulich gemütlich dahin, der irrt. Ullrichs Zug in die Heimat fuhr am Samstagvormittag in Metz ab. Bis dahin waren es noch 145 km und 43 Schleusen. Doch davon ließen wir uns nicht beeindrucken. Nach beschaulichen 26 km und ein paar Schleusen endete unser erster Rudertag auf einem Feld neben dem Kanal. Allerdings weniger wegen unserem Hang zu Herausforderungen, sondern wegen des Schleusenbetriebes. Einmal war das Schleusen Automatisiert und nur von 9 bis 18 Uhr möglich. Dazu kam, dass sich selbiges als komplizierter erwies als angenommen und wir eine gewisse Lernphase benötigten. Und so kam es, wie es kommen musste. Am zweiten Rudertag legten wir 56 km und 19 Schleusen zurück. Wir waren 12 Stunden auf dem Wasser und unsere Hinterteile wurden von Schmerzen gepeinigt. André hatte sich anfangs bei den Schleusen verzählt und nachdem wir mit Müh und Not die letzte Schleuse um kurz nach 18 Uhr passiert hatten kamen wir auf die richtige Mosel und erfuhren, dass es noch 10 km bis zum Campingplatz waren. Aber wir haben es geschafft, was nicht immer sicher war, und die verbleibende Strecke bis Metz kam in den Bereich des Möglichen. So konnten wir am nächsten Tag mit neuen Kräften und wunden Hintern starten, statten Toul, wo ursprünglich ein Ruhetag geplant war, nur eine Steppvisite ab und erreichten tatsächlich am Freitag Metz, wo die Abendsonne idyllisch den kleinen Hafen in Szene setzte. Geschafft.
Ulrich verließ uns nach dieser in Erinnerung bleibenden ersten Etappe und wurde durch niemanden ersetzt, wodurch wir die nächste Etappe mit Minimalbesetzung in unseren Zweiern bestritten. Wir kehrten dem Risiko also sprichwörtlich den Rücken zu. Doch zunächst verbrachten wir noch einen verdienten Ruhetag in Metz und bestaunten den Dom und den französischen Markt. Am Sonntag ruderten wir vergnügt und nunmehr wieder im Zeitplan zur letzten französischen Stadt in unserer Planung, Thionville, wo wir von den dortigen Kanuten sehr freundlich und sogar mit Sekt willkommen geheißen wurden. So eine Nacht in einem Bootshaus ist doch was feines und so konnten wir ausnahmsweise die Zelte sogar mal trocken einpacken. Ja und dann überquerten wir die Grenze und konnten endlich unsere Schwimmwesten ablegen, die in Frankreich Pflicht gewesen waren. Bereits vor der Grenze wandelte sich das Bild der Mosel in das schöne mäandern durch Weinberge und so machte es allen Anschein, als ob nun der Teil der Moselfahrt beginnt, der gemeinhin unter dem Rudervolk bekannt ist: Ein bisschen rudern, ein bisschen Wein, ein bisschen Gesang (oder Mundharmonika). Auch der rückwärtige Schmerz ließ dank intensiver Salbenbehandlung langsam nach. Aber zunächst mussten wir noch eine sehr nasse Nacht in Remich verbringen, in der sich Dieters Zelt in eine Tropfsteinhöhle verwandelte und André lieber gleich unter dem überdachten Esstisch schlief. Außerdem erreichten wir vorübergehend einen interessanten Gesundheitsstand unserer Truppe: André und Rüdiger kurierten noch an überstandenen Erkältungen und bei mir brach derartiges nun aus. So verblieb Dieter mit seinen 74 Jährchen als ältestes und einziges gesundes Mitglied unserer Gemeinschaft. Nachdem wir aber ungebrochenen Mutes auch das römische Fußbodenmosaik hinter uns gebracht hatten, konnten wir am Dienstag schließlich nach Trier rudern, wo wieder ein Ruhetag auf uns wartete. Ihr könnt Euch ja nicht vorstellen, was sich dort in den letzten 1132 Jahren alles getan hat. Das ein oder andere bekannte Gebäude steht zwar noch, aber ansonsten kaum noch Spuren der Verwüstung. Und das große Tor ist mittlerweile Schwarz geworden. Auch die Bevölkerung hat ganz anders auf uns reagiert. Keiner ist schreiend weggelaufen. Die einen haben uns geholfen den Lack unserer Skulls wieder in Ordnung zu bringen und die anderen haben uns verbal zur Schnecke gemacht, als wir wieder ablegen wollten und kurzzeitig den Steg blockierten. Es dauert eben ein bisschen, die Beute wieder einzuladen.
Und ab jetzt wurde es tatsächlich eine Moselfahrt, wie man sie sich eher vorstellt, mit Wein, sonnigem Wetter und ab und zu mal einem schönen Bootshaus. Das soll aber nicht heißen, dass bis dahin alles negativ war. Vielmehr macht doch so ein bisschen Abenteuer den richtigen Reiz einer Wanderfahrt aus. Außerdem hat uns ja nie der Mut verlassen, es war immer gute Stimmung, unser Essen hat uns geschmeckt und trocken wird man von alleine wieder.
Am Donnerstag ruderten wir also von Trier nach Neumagen, wo wir auf einem netten Campingplatz übernachteten und am Freitag weiter nach Bernkastel-Kues. Hier ist vor allem die Fachwerkaltstadt in Bernkastel bei einem Eis zu genießen, und der Weg auf die Burgruine Landshut lohnt sich so sehr, dass Dieter gleich zwei Mal rauf wollte. Manche munkeln auch, er habe seinen Hut oben vergessen. Am Abend im Bootshaus hatten wir rege Gesellschaft von Schülerruderern, die am nächsten Tag auch nach Traben Trarbach aufbrachen und ansässigen Vereinsmitgliedern, die André von ihrem Jahrzehnte alten Moselwein probieren ließen. Üblich früh am nächsten Morgen brachen wir auf nach Traben Trarbach und erreichten dort ein wunderschönes und gemütliches Bootshaus. Zum Abschluss der zweiten Etappe gönnten wir uns den ersten Federweisen des Jahres in der alten Mühle, dazu ein hervorragendes Essen, gekrönt von einem Weinschaumdessert. Dennoch vergasen wir nicht, Stefan, Katrin und Antje vom Bahnhof abzuholen, mit denen wir dann einfach noch mal essen gegangen sind. Am Samstag verabschiedete ich mich nicht ohne noch einmal in ein Ruderboot zu steigen um die beim Wassern abhanden gekommene Frigga zurückzuholen. Für die letzte Etappe reiche ich die Feder jetzt also an Rüdiger weiter.
Achim Messer
Nun waren wir nach zwei Wochen mehr oder weniger ungesteuerter Wikingerfahrt nun endlich mit zwei vollständigen Mannschaften unterwegs, Antje, Dieter und ich (Rüdiger) in der Sigyn und Katrin, André und Stefan in der Frigga.
Die Wald- und Weinhänge wuchsen immer höher, die Mosel wand sich in immer schärferen Kurven und auch die Sonne schien nun die meiste Zeit, es wurde eine immer sommerlichere Moseltour. Nur einmal erwischte uns noch beim Besuch der Zeller Schwarzen Katze ein kraftvoller Gewitterguss.
Die Burgen der Mosel wollten wir natürlich auch nicht nur von unten sehen, und etliche sind auch so versteckt, dass man sie vom Fluss gar nicht sieht. Die Burg Arras zum Beispiel. Erst ging es einen steilen Weg durch Weinhänge, dann durch Wald weiter hinauf und schließlich zeigte uns André die Burg Arras, gar nicht so weit weg, aber, oh Schreck, zwischen uns und der Burg lag noch ein tiefes Tal, und wir wollten doch heute noch nach Cochem. Also blieb es bei ein paar Fotos. Die Reichsburg in Cochem war dagegen geradezu leicht direkt aus der Stadt zu erreichen und auch schon vorher vom Fluss aus wunderschön zu sehen. Aber die Spitze zumindest meiner Burgenerfahrung war die Burg Eltz, den Reichen vielleicht von der Rückseite der 500-DM-Banknote noch angenehm in Erinnerung und den meisten nicht ganz Jungen von der 40-Pf-Briefmarke aus der Burgenserie. Als wir nachmittags in Treis gerade unsere Zelte aufgebaut hatten, meinte André, dass wir uns jetzt aber beeilen müssten, wenn wir noch die Burg Eltz besichtigen wollten. Es war viertel nach vier und wir mussten damit rechnen, dass um fünf die letzte Führung stattfinden würde. Also nichts wie los. Im Ort gab es dann so Schilder, nach denen es bis zur Burg wohl weit mehr als eine Stunde dauern sollte. Da entschied sich Antje weise, lieber den Nachmittag am Wasser zu genießen. Im Eilwanderschritt machte sich der Rest auf den Weg. Ein wunderschöner Waldweg führte immer an der Eltz entlang ein enges Waldtal hinauf. Wir waren schon gut durchgeschwitzt, als sich plötzlich ein Talkessel öffnete, und da hoch auf einem gewaltigen Felsen thronte die Burg Eltz, eine Burg wie aus dem Bilderbuch. Jetzt nur noch über die Eltz und die letzten Stufen hoch, es war fünf Uhr und wir waren da. Wir konnten noch eine Führung mitmachen, die sich wirklich gelohnt hat. Denn die Burg war in ihrer mehr als 800-jährigen Geschichte nie zerstört worden (Die ersten Wikinger waren hier viel zu früh gekommen.) und alle Räume waren mit Gegenständen aus Familienbesitz eingerichtet.
Am letzten Tag vor Koblenz übernachteten wir mal wieder bei gastfreundlichen Kanuten, beim WSC Untermosel in Kobern-Gonndorf. Mit ruderfreundlichem Steg konnten sie allerdings nicht dienen. Wir legten am Kiesstrand an, das Wasser war ja warm, und brachten die Boote für die Nacht im Ufergebüsch unter. Das hatten wir ja auch in Treis so gemacht, also keine besondere Schwierigkeit. Kobern-Gonndorf ist ein großes Weindorf und hat auch einige Burgen. Ein nicht zu langer Weg führte die Sigyn-Mannschaft zur Mathias-Kapelle mit einer prächtigen Aussicht über das Moseltal, dann an einem Kreuzweg entlang wieder hinunter an einem Bach entlang zurück ins Dorf.
Jetzt brauchten wir nur noch ein Fläschchen Wein, sollte in einem Weindorf nicht so schwer sein. Es dauerte aber doch etwas länger, bis uns der Hinweis einer Wirtin zu einem Winzer führte, der noch am Abend verkaufte. Die Senior-Chefin führte uns herum und ließ uns von ihrem Trester-Schnaps kosten, und Wein gab es natürlich auch.
Nach Koblenz war es nicht mehr weit. Und beim Koblenzer Ruderclub Rhenania konnten wir nach langer Zeit in echten Betten übernachten. Ein Ruhetag in Koblenz war gerade richtig, um die (wiederaufgebaute) Altstadt zu erkunden, das Deutsche Eck zu umwandern, mit der Seilbahn über den Rhein auf die Festung Ehrenbreitsein zu fahren und vielleicht auch durch den kurfürstlichen Schlossgarten zu spazieren.
Nun ging es auf die Schlussetappe, durch die letzte Moselschleuse und dann auf den Rhein. Wir mussten das erste Mal in die Großschleuse, da die Sportbootschleuse defekt war. Der erste Versuch klappte nicht, da der Moselkahn für uns keinen Platz mehr ließ. Aber dann waren wir durch und nicht mehr lange und der Rhein nahm uns auf. Das war eine Strömung, dagegen ist die Elbe auch bei heftigster Tide nichts. Die Wellen, auch von den Schiffen waren jedoch nicht schlimmer als das was wir kannten. Wir mussten nur einmal den Fluss kreuzen, und so war alles viel entspannter, als ich befürchtet hatte. Da kommt schon der Pegelturm von Neuwied in Sicht und davor ist der Anleger. Über eine hohen Deich tragen wir die Boote zum Ruderclub GTRVN, wo wir sehr freundlich aufgenommen werden.
Beim Rhein-Kilometer 608 ist unsere dreiwöchige Moselfahrt zu Ende, na ja der Bootstransport mit Hänger folgt noch, aber das ist ja nichts Besonderes.
Die materielle Wikingerbeute war dieses Mal tatsächlich nicht groß, aber die immaterielle in Form von vielen neuen Eindrücken, gemeisterten Widrigkeiten und einer guten Kameradschaft, die auch über drei Wochen hielt, war die Fahrt wert.
Rüdiger Schmidt
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