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Vogalonga

 

 

 
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Vogalonga

   

Bravo, Toni!

„Bravo Toni“ schallte es Pfingstsonntag von der Rialtobrücke. Das galt uns, und ich, der ich unten in unserem Boot – der “Toni Brandt“ vom Verein Hamburger Ruderinnen – saß, konnte es immer noch nicht fassen, wir hatten es geschafft: Wenige Meter trennten uns nur noch vom Ponton am Markusplatz, von wo aus uns die Medaillen ins Boot geschmissen wurden, dem Boot mit der Startnummer 1038. Mit mir im Boot waren noch Beke und Johannes vom ARV Hanseat.

Das Rennen, die Vogalonga, war vorbei. Die Herausforderung begann aber erst: Uns standen noch acht Kilometer bis zu unserer Anlegestelle bevor, der Wind hatte gegenüber dem Morgen noch nicht nachgelassen, entsprechend rau war die See. Das hatte uns schon beim Rennen Anstrengung gekostet, denn der größte Teil der 32 km langen Strecke führt über das offene Wasser der Lagune, nur unterbrochen durch die Kanaldurchfahrten auf den Inseln Burano (am Wendepunkt der Strecke) und Murano (schon direkt vor Venedig gelegen). Jetzt, zum Nachmittag, durften darüber hinaus auch die motorisierten Verkehrsteilnehmer, die während des Rennens still zu liegen hatten, wieder aufs Wasser. Wie Hunde die von der Kette losgelassen, stürmten dann auch im Markusbecken Vaporetti (Fähren), Wassertaxis und Yachten aus allen Richtungen auf uns zu und ließen uns erst hinter dem Lido in Ruhe.

Der Abend erst brachte Gewissheit – alle Hamburger Boote waren heil zur Anlegestelle Punta Sabbioni zurückgekehrt. Das war nicht selbstverständlich, allein wir waren unterwegs an fünf Booten vorbeigefahren, die vollgeschlagen waren. Zwei Tage später trafen wir dann eine Truppe vom Bonner Ruderverein 1882 eV, die mit sieben Booten an den Start gegangen war, dann das Rennen aber wegen des starken Wellengangs abgebrochen hatte, nachdem eins ihrer Boote abgesoffen war.

Wir Hamburger hatten uns am Donnerstag vor Pfingsten nach Venedig auf den Weg gemacht, teilzunehmen an der Vogalonga, verdeutscht „langes Rudern“, dem Ruderspektakel, das inzwischen zum 35. Mal ausgetragen wird. 1.500 Boote mit 6.000 Teilnehmern aus aller Welt waren gemeldet. Mit zwei Sprintern, fünf Booten und 16 Mann ging es los vom Vereins-Dreigestirn Dresdenia, ARV Hanseat und dem Kanu-Club Hanseat erst bis München, wo wir im Münchener Ruder- und Segelverein „Bayern“ von 1910 e.V. am Starnberger See übernachteten. Leider hatten wir keine Sicht auf das Alpenpanorama, weil das Wetter zu diesig war, und für eine Runde auf dem See fand sich auch niemand. Dafür entschädigte uns der nächste Tag mit strahlendem Sonnenschein, als wir die Alpen überquerten. Nach einem Blick auf die Zugspitze kamen wir auf dem Reschenpass an, wo mich die Bergwelt in Bann zog und mir zuraunte: „Hier kannst aussteigen und zu Fuß weiter“.

Am Abend kam wir dann auf dem Zeltplatz Ca´Savio an, der auf einer Landzunge gelegen ist, die die Venezianische Lagune von der Adria abschirmt, acht Wasserkilometer bzw. fünfzig Straßenkilometer von Venedig entfernt. Die Boote wollten wir ursprünglich vom Zeltplatz aus um die Spitze der Landzunge herum zur morgigen Ablegestelle Punta Sabbioni, von der auch die Fähren nach Venedig verkehren, rudern – ganze acht Kilometer –, hatten sie auch alle schon die hundertfünfzig Meter von unseren Zelten auf den Strand geschleppt und das erste Boot in die Brandung geschoben. Wie das dann aber mit der Brandung kämpfte und sich mühselig nur Richtung Leuchtturm bewegte, rutschte uns Zurückgebliebenen allerdings das Herz in die Hose und wir packten die restlichen Boote wieder auf die Autoanhänger.

Sonntag früh war es dann soweit. Das Wetter verhieß nichts Gutes, es war windig, die See rau, trotzdem stachen wir in See. Wir waren kaum losgefahren, setzten wir in der Lagune auf Flachwasser auf, mussten aussteigen und die Boote schieben. Trotzdem waren wir pünktlich zum Kanonenschuss um neun Uhr früh, der den Start gab, im Markusbecken.

Der Wind war kalt und er war stark und er kam aus Nordosten. 15 Kilometer boxten wir gegen den Wind, dann endlich, hinter Burano, kam er schräg von achtern, ließ aber in der Stärke nicht nach, er erreichte in Böen 80 km/h. Mit letzter Kraft erreichten wir den Canale di Cannaregio, der als Stichkanal auf den Canale Grande führt, drei, vier Kilometer hatten wir Windstille. Auch das Gedrängel war weniger als in den Jahren zuvor, Wind und Wellen hatten das Teilnehmerfeld auseinandergezogen und dezimiert.

Nach dem anstrengenden Rennen am Sonntag gönnten wir uns Montag erstmal eine Auszeit, machten auf Touristen und setzten mit der Fähre nach Venedig über.

Dienstag hatten wir dann wieder Kraft getankt, und ich brach mit fünf Gleichgesinnten vom ARV Hanseat – Beke, Johannes, Jochen und Rainer – auf zum Sightseeing by boat. Mit den beiden Booten der Hamburger Ruderinnen, „Plietsche Deern“ und „Toni Brandt“ ging es nach Burano, der Insel mit den bunten Häusern. Das erste Stück auf der Lagune war anstrengend, weil viele Motoryachten unterwegs waren, nachher wurde es ruhiger. Von Burano aus hatten wir gleich wieder nach Hause fahren wollen, aber nachdem wir dort eine Stunde spazieren gegangen waren, juckte es uns doch in den Fingern, und wir setzten noch nach Murano über, der Glasbläserinsel. Ich hätte gerne eine der Manufakturen besucht, doch alle waren geschlossen – „public holiday“, erklärte man uns. Da brauchte ich mich nicht mehr zu wundern, wiese so viele Einheimische am helllichten Tag ihre Motorboote spazieren fuhren.

Es erwies sich als gar nicht so einfach, Anlegemöglichkeiten für unsere Boote zu finden – die Stege in den Kanälen sind für höherbordige Fahrzeuge wie Motorbarkassen und eben Gondeln konzipiert. Das Aus- und Einsteigen sollte man zuvor im heimischen Gewässer mal in einem Yachthafen probiert haben, z.B. im Rüschhafen oberhalb Finkenwerder, im Holzhafen an der Kneipe „Zum Skipper“ oder an der Stackmeisterei auf dem Weg zur Bunthäuser Spitze. Ein Streifen Sand findet sich auch immer irgendwo, mal mehr schlickig, mal mehr steinig; allerdings braucht man sich beim Raufziehen der Boote keine Gedanken über die Tide zu machen – der Unterschied zwischen Ebbe und Flut beträgt 30 – 60 cm und nicht 2,50 Meter wie in Hamburg.

Mittwoch ging es dann im Drachenboot „Alsterdrachen“ nach Venedig. Der Canale Grande ist mit bis zu 70 Metern der breiteste Kanal der Stadt, die meisten sind mit acht Metern, wie der Rio di Palazzo, der von der Seufzerbrücke überspannt wird, wesentlich schmaler; dazu sind sie an den Seiten von Lastkähnen und Gondeln zugeparkt, sie verlaufen nicht schnurgerade und hinter dem nächsten Knick verbietet einem ein Einbahnstraßenschild die Weiterfahrt geradeaus. Thomas, unser Steuermann, nahm es aber routiniert mit der gleichen Gelassenheit, mit der er mit unserem Sprinter Kombi samt Booten auf dem Hänger die Serpentinen der Passstraße über die Alpen genommen hatte. Nicht einmal als uns bei einer Brückendurchfahrt der Fahnenmast abrasiert wurde, verlor er die Beherrschung.

Im Drachenboot waren wir zur Hälfte Ruderer. Vielleicht erklärt das, warum wir auf der Rückfahrt sehr viel Wasser übernahmen und zuhause mehr oder weniger durchfeuchtet ankamen. In einem solchen Boot ist man als einer von zwölf bis zwanzig Paddlern hilflos dem Steuermann ausgeliefert – ob du deinen Teelöffel nun im Wasser hast oder nicht, spielt hier gar keine Rolle. Für die Kanäle ist es eine richtige Art der Fortbewegung, hier wäre man mit einem Ruderboot ja nicht mal reingekommen; für die offene See der Lagune eignet es sich nicht.

Donnerstag hatten wir noch drei Ruderboote am Strand von Punta Sabbioni liegen, nachdem wir am Tag zuvor die „Toni Brandt“ zusammen mit dem „Alsterdrachen“ auf einen Hänger gepackt hatten. Die Frage war: Rudern wir die Boote zum Hänger oder fahren wir den Hänger zu den Booten?

Der Seeweg: Acht Kilometer, etwa die Hälfte im Windschatten der Lagune bis nach Süden und dann auf dem offenen Meer der Adria noch einmal die gleiche Entfernung nach Norden.

Unser Trio für einen der Zweier war auch vollzählig beim Frühstück. Nach einem Blick in den Himmel mit seinem Wind und auf das Wasser insbesondere mit der starken Brandung verzichteten wir weise dann aber auf unsere Reise. Etwas enttäuscht machte ich mich landfein – wenigstens eine Glasbläserei auf Murano wollte ich wenigstens noch besuchen, bevor ich wieder nach Hause musste.

Ich war schon fast unterwegs, als die junge Dresdenen-Bande Arne, Christoph, Uwe aufstand. Sie waren die Strecke schon Samstag mit ihrer „Lot di Tied“ als einzigem Boot die umgekehrte Richtung gerudert. Auch jetzt nahmen sie die Wellen als sportliche Herausforderung und wir stachen mit Rainer von den Hanseaten wieder in die „Lot die Tid“ und in See. Kaum waren wir aus der Lagune draußen und hatten den Leuchtturm zur Seite, der die Einfahrt nach Venedig bezeichnet, knallte mir als Bugmann die erste Welle in den Rücken. Auf dem Wasser hatten wir dann Wellen von einem halben bis anderthalb Metern, etwa ein halbes Dutzend Mal klatschen Wellen in unser Boot. Dann hatten wir die vierte Mole erreicht, die unseren Badestrand markierte, steif stand die rote Fahne am Mast – absolutes Badeverbot; Rainer wartete eine hohe Welle ab und wir rauschten auf dem Wellenberg wie ein Surfer dreihundert Meter weit auf den Strand. Das war ein geiles Feeling!

Als Belohnung gab es erstmal ein Bier und dann ein warmes Mittagessen – Stephan, unser Koch, hatte extra für uns den Herd angeschmissen. Während des Essens flaute der Wind ab, und plötzlich bekamen noch zwei von uns Lust, ein Boot zu rudern: Thomas, unser Steuermann, und Lutz von den Hanseaten, und wir brachten das zweite Boot, „Plietsche Deern“ von den Hamburger Ruderinnen ins Ziel, an den Strand. Inzwischen ging es auf sechs Uhr, wir hatten mit den Stadtbummlern vereinbart, uns um diese Zeit am Anleger zu treffen, die Boote auf die Hänger zu packen. Die ersten, die pünktlich waren, waren Beke und Johannes, es fiel mir nicht schwer die beiden ins letzte Boot, die „Erland Giese“ aus ihrem Verein, zu kriegen. Neben uns waren auch Rainer und Lutz wieder mit von der Partie. Als wir anlegten, wehte am Strand die grüne Fahne am Mast – Baden gefahrlos möglich. Und für uns das Signal: Der Weg für die Heimfahrt ist frei.

Ulrich Rothe

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